c'est pour toi

Die Gedichte schreibe ich oft zufällig, auch in der U-Bahn oder nachts, aus Versehen gewissermaßen, und natürlich auch im Rausch. Meine verschiedenen Sprachen kommen mir dabei zu Hilfe und gelegentlich in die Quere. Inzwischen mag ich sie alle. Meine Lieblingssprache verrate ich aber nicht.


Die Biene

3951,1

I was five and so was she,

she was Chinese and I was I,

high on the hill, high over the sea,

we kissed the first kiss as a bee buzzed by. 

„Meine Freundin war die Enkelin eines reichen chinesischen Händlers. Wir lebten hoch oben auf Hongkong Island und sahen beim Spielen auf die Bodega Bay. Das Siegel auf der Grafik wurde vor der Han-Dynastie zum Verschließen von Dokumenten verwendet. Wer ein Siegel führte, besaß Vertrauen und Ansehen, so wie auch ihr Großvater.“ 


Die Nacht

2373,1

À la recherche de

mon âme, en fuite et perdu,

c’est toi que je

touche, dans l’ombre, la nuit.

„Die japanische Holzschnitte von Utamaro aus dem achtzehnten Jahrhundert wurden Brautpaaren zur erotischen Ermunterung geschenkt. An diesem Foulard schätze ich die Möglichkeit, das Motiv zu verstecken. In meiner Zeit in Paris habe ich den Zusammenhang von Zeigen und Verschweigen kennen gelernt. Auf dem Boul’Mich’ streunten die schönen Frauen vorbei, und wir flüsterten: Que ça bouge...“ 


Die Krake

3290,2

Suchen und finden,

umschlingen, verschlingen in

sprachloser Nacht.

„Die Krake ist Teil eines Mosaiks aus Pompeji aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus. Sie drückt für mich die Einheit von Schönheit und Schrecken aus. Die Liebe hat ja auch diese düstere Seite. Der darf man sich hingeben und muss dabei nicht ohne Freude sein. Das Rahmensymbol ist ein chinesischer Wappenteller. Darauf steht: Alle Kinder mögen aufsteigen zu hohem Rang - wie auch der Träger des Schals.“ 


Das Rätsel

4472,1

Aus dem Rätsel ins

Wort, aus dem Wort ins Bild, aus dem

Bild ins Rätsel zurück.

 

„Wirklichkeit und Wunsch sind miteinander verwoben. In den Zwischenbereichen bewegen wir uns. Auch unser Alltag ist von Rätseln durchdrungen. Auf meinem Schreibtisch steht ein uralter chinesischer Briefbeschwerer aus Elfenbein. Die Drachen, die das Labyrinth bewachen, hüten nun mein Gedicht auf dem Seidentuch.“


Der Tiger

505,1

Wenn Dich der Tiger zerfleischt,

küss ihn in Deinem Blut,

blick ihm ins goldene Auge und sag:

es ist gut.

„Meine Vorfahren stammen aus der russischen Tundra, dem Land der weißen Tiger. Das Gedicht drückt für mich eine Sehnsucht nach Heimat aus, die sich manchmal erst im Tod offenbaren kann. Das Motiv entstammt einem Tongefäß aus dem ersten Jahrhundert vor Christus. Diese Gefäße wurden in der Han-Dynastie als Grabbeigabe verwendet.“